Sexualisierte Gewalt im kolumbianischen Konflikt

Ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof

Kolumbien – Bewaffneter Konflikt – Sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt

Vergewaltigung als Vergeltung, sexuelle Übergriffe als Mittel zur Unterdrückung, Stigmatisierung als Ausdruck militärischer Macht: Das waren weder vereinzelte noch zweitrangige Verbrechen im bewaffneten Konflikt in Kolumbien.

Allein 2014 wurden im Schnitt jeden dritten Tag zwei Frauen vergewaltigt. Doch kaum ein Fall sexualisierter Gewalt führte bisher zu einer Verurteilung – schon gar nicht, wenn die Täter der Armee angehörten.

Fall

Der kolumbianische Staat verwehrt den Frauen Schutz vor sexualisierten Verbrechen und den Zugang zu Recht, die er laut nationaler und internationaler Gesetze gewährleisten muss. Deswegen hat das ECCHR mit den kolumbianischen Organisationen Sisma Mujer (Sisma) und Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo (CCAJAR) im April 2015 eine Strafanzeige (communication) gegen Kolumbien beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag eingereicht. Die Organisationen fordern die Anklagebehörde des Gerichts auf, Ermittlungen gegen kolumbianische Tatverdächtige aufzunehmen.

Kontext

Für die Strafanzeige haben das ECCHR, Sisma und CCAJAR 36 exemplarische Fälle von sexualisierter Gewalt zwischen 2002 und 2011 untersucht. Ihr Fazit: Sexuelle Übergriffe im bewaffneten Konflikt sind keine Einzelfälle, sondern Teil der Militärstrategie und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Die Straflosigkeit der Militärs ist fast uneingeschränkt. Die Organisationen fordern, dass die Anklagebehörde des IStGH ihren eigenen Vorgaben genügt, da sie 2014 in einem Grundsatzpapier eine „Genderperspektive“ und eine „Genderanalyse“ für alle Stufen ihrer Arbeit angekündigt hat. Die drei Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass Ermittlungen des IStGH letztlich auch den Friedensprozess in Kolumbien stärken können.

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Definition

Internationaler Strafgerichtshof (IStGH)

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag ist ein ständiges internationales Strafgericht. Vor dem IStGH werden Kernverbrechen des Völkerstrafrechts verhandelt, d.h. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen und – seit Juli 2018 – Verbrechen der Aggression.

Der Anspruch des IStGH ist nicht universell, jedoch weitreichend. Der IStGH kann nur einschreiten, wenn: eine angeklagte Person Staatsangehörige*r eines Mitgliedslandes ist, eine Tat auf dem Territorium eines Mitgliedslandes verübt wurde oder wenn ein Nicht-Mitgliedstaat die Gerichtsbarkeit des IStGH bejaht und ein Verbrechen dort vor Gericht bringen will. Auch wenn viele Länder das Römische Statut des IStGH ratifiziert haben, so haben Länder wie China, die USA oder Russland es noch nicht unterzeichnet bzw. ratifiziert. Der IStGH ist nicht Teil der Vereinten Nationen.

Themen (3)

Einblick

Kolumbien

Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem bewaffneten Konflikt, der insbesondere die Zivilbevölkerung betrifft. Menschenrechts­verteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivis*innen wurden (und werden) als "Guerilla" stigmatisiert und hierdurch als angeblich legitime militärische Ziele für die kolumbianische Armee und paramilitärische Gruppen, die häufig auch zusammenarbeiten, gekennzeichnet.

Wegen des Ausmaßes und der Dauer der Gewalt sowie wegen ihrer Bedeutung für eine freie und demokratische Gesellschaft müssen die Verbrechen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen in Kolumbien dringend verhindert und auch juristisch aufgearbeitet werden. Gleiches gilt für die weit verbreitete sexualisierte Gewalt gegen Frauen, die alle Akteure des Konflikts begehen und die nicht zuletzt Teil der Militärstrategie ist. Hier geht es vor allem darum, der Straflosigkeit hochrangiger Verantwortlicher ein Ende zu setzen.
 
Ein weiteres Problem ist die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen in Folge der Geschäftspraktiken transnationaler Unternehmen. Wie auch anderorts auf Welt wird die Rolle von Unternehmen bei Menschenrechtsverbrechen auch in Kolumbien selten untersucht – geschweige denn vor Gericht gebracht.
 
Daher stellt die Situation in Kolumbien, die zugleich exemplarisch für viele weltweit wiederkehrende Menschenrechtsprobleme steht, einen Schwerpunkt der Arbeit des ECCHR dar und wir versuchen, die am meisten Verantwortlichen dieser internationalen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

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