Der Fall Padilla und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Kolumbien – Bewaffneter Konflikt – General Padilla

Die Bezeichnung „falsos positivos“ wird verwendet für die große Anzahl an wahllosen Tötungen von Zivilist*innen durch Soldat*innen der kolumbianischen Armee, die anschließend deren Leichen als im Kampf gefallene Guerilla-Kämpfer*innen präsentierten. Damit wollten sie Erfolge vorzeigen und Prämien wie Beförderungen und Sonderurlaub erhalten. Diese Verbrechen waren weit verbreitet und wurden systematisch begangen und sind damit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen.

Verantwortlich – auch für die Taten ihrer Untergebenen – sind hierfür hochrangige Militärs, die bislang straflos geblieben sind. General Freddy Padilla de León war zu der Zeit, als die Fälle der „falsos positivos“ sich extrem häuften und der Skandal bekannt wurde, Oberbefehlshaber der kolumbianischen Streitkräfte. Als solcher ist er für Völkerstraftaten der ihm unterstellten Militärs, die er nicht verhindert oder geahndet hat, mutmaßlich verantwortlich.

Fall

General Freddy Padilla de León ist kolumbianischer Botschafter in Österreich und außerdem in Kroatien, Serbien, Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn sowie bei dem Büro der Vereinten Nationen in Wien akkreditiert. Aufgrund dieser diplomatischen Posten kann er nur unter Aufhebung seiner diplomatischen Immunität strafrechtlich verfolgt werden.

Vor diesem Hintergrund erstellte das ECCHR ein Dossier über General Freddy Padilla de León und seine mutmaßliche Verantwortlichkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Dossier wurde Mitte August 2013 den jeweiligen Außenministerien vorgelegt, mit der Forderung, ihn als unerwünschte Person (persona non grata) zu erklären und damit seine diplomatische Immunität aufzuheben.

Kontext

Österreichs Außenministerium prüft seit Erhalt des Dossiers eingehend die erhobenen Vorwürfe sowie mögliche diplomatische Schritte. Die kolumbianische Staatskanzlei ließ in Reaktion auf die Veröffentlichung des Dossiers wissen, dass Padilla vor einem Monat, also wenige Wochen nach Einreichung des ECCHR-Dossiers, sein Rücktrittsersuchen eingereicht habe und sein Amt nunmehr im November 2013 niederlegen werde.

Das ECCHR fordert bei der Akkreditierung von Diplomat*innen aus Kolumbien künftig Vorwürfen von internationalen Verbrechen bereits im Verfahren der Visaerteilung für diplomatisches Botschaftspersonal ernsthaft nachzugehen, notfalls auch durch eigene Vorermittlungen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Dokumente (4)

Glossar (3)

Definition

Dossier

Ein Dossier ist eine zusammengehörige Sammlung von Dokumenten bzw. Aktenmaterial, die zusammen mit anderen Akten z. B. bei einem Gerichtsverfahren eingereicht werden können. Meist betrifft ein Dossier eine bestimme Person oder einen spezifischen Sachverhalt, welcher für das Verfahren relevant ist.

Themen (2)

Einblick

Kolumbien

Kolumbien leidet seit Jahrzehnten unter einem bewaffneten Konflikt, der insbesondere die Zivilbevölkerung betrifft. Menschenrechts­verteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivis*innen wurden (und werden) als "Guerilla" stigmatisiert und hierdurch als angeblich legitime militärische Ziele für die kolumbianische Armee und paramilitärische Gruppen, die häufig auch zusammenarbeiten, gekennzeichnet.

Wegen des Ausmaßes und der Dauer der Gewalt sowie wegen ihrer Bedeutung für eine freie und demokratische Gesellschaft müssen die Verbrechen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen in Kolumbien dringend verhindert und auch juristisch aufgearbeitet werden. Gleiches gilt für die weit verbreitete sexualisierte Gewalt gegen Frauen, die alle Akteure des Konflikts begehen und die nicht zuletzt Teil der Militärstrategie ist. Hier geht es vor allem darum, der Straflosigkeit hochrangiger Verantwortlicher ein Ende zu setzen.
 
Ein weiteres Problem ist die Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen in Folge der Geschäftspraktiken transnationaler Unternehmen. Wie auch anderorts auf Welt wird die Rolle von Unternehmen bei Menschenrechtsverbrechen auch in Kolumbien selten untersucht – geschweige denn vor Gericht gebracht.
 
Daher stellt die Situation in Kolumbien, die zugleich exemplarisch für viele weltweit wiederkehrende Menschenrechtsprobleme steht, einen Schwerpunkt der Arbeit des ECCHR dar und wir versuchen, die am meisten Verantwortlichen dieser internationalen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

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