Vorwürfe über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bahrain müssen ernsthaft untersucht werden

Bahrain – Arabischer Frühling – Folter

Im September 2011 übermittelte das ECCHR der Unabhängigen Bahrainischen Untersuchungskommission (Bahrain Independent Commission of Inquiry) eine Stellungnahme, um auf zwei konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen.

Das ECCHR kommt in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass die in Bahrain begangenen Verbrechen völkerrechtlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen sind. Aus diesem Grund wird von der Untersuchungskommission gefordert, sämtliche Vorwürfe umfassend zu untersuchen sowie die vorliegenden Beweise für das Vorliegen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit vollständig auszuwerten.

Fall

Zwei Mandanten des ECCHR erlitten am 25. März 2011 erhebliche Verletzungen, als sie von bahrainischen Sicherheitskräften angeschossen sowie unter Zwang aus Krankenhäusern abtransportiert, verhaftet und misshandelt wurden.

Unter Berücksichtigung des Prinzips der Vorgesetztenverantwortlichkeit wird insbesondere betont, dass die Ermittlungen der Kommission sich nicht ausschließlich auf die unmittelbaren Täter*innen konzentrieren, sondern die gesamte Befehlsstruktur umfassen und sich ebenfalls gegen Vorgesetzte und Befehlshaber*innen richten sollten. Bei der Auswertung des Beweismaterials, der Auswahl der Verdächtigen sowie in ihren Schlussempfehlungen seien zudem anerkannte Standards des internationalen Strafrechts zu berücksichtigen.

Kontext

Die beiden Vorfälle dienen als exemplarische Beispiele für diverse andere Fälle von Menschenrechtsverletzungen, die bahrainische Sicherheitskräfte im Frühjahr 2011 gegen Demonstrant*innen während der Proteste verübt haben. Die unter anderem in großem Ausmaß verübten Angriffe auf Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen sowie Ärzt*innen, die friedliche Demonstrant*innen medizinisch versorgt haben, stellen systematisch begangene Verbrechen dar.

Darüber hinaus wurden Demonstrant*innen widerrechtlich verhaftet und Frauen sexuelle Gewalt angedroht beziehungsweise gegen sie ausgeübt. Die Untersuchungskommission wurde vom König von Bahrain eingesetzt, damit diese die gewalttätigen Ausschreitungen gegen Demonstranten während des Aufstands im Februar und März 2011 untersucht. Sie wird abschließend ihre Empfehlungen für weitere Vorgehensweisen aussprechen.

Glossar (3)

Definition

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind schwere Verstöße gegen das internationale Völkerrecht, die durch eine systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet sind. Sie zählen zu den Kernverbrechen des Völkerstrafrechts und unterliegen dem Weltrechtsprinzip. Zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählen z.B. Mord, ethnische Ausrottung, Versklavung und Deportation.

Themen (4)

Einblick

Bahrain

In Bahrain hat es seit der Gründung als unabhängiges Königreich 1971 immer wieder Protestbewegungen gegeben. Die herrschende Elite rund um die Königsfamilie Al-Khalifa reagierte darauf stets mit Repression und Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Oppositionelle, unabhängige Medien und religiöse Führer*innen. Nachdem die Berichte über systematische Folter Ende der 90er Jahre zunächst zurückgingen, werden seit 2007 wieder verstärkt Folterfälle aus Bahrain gemeldet.

Als im Frühjahr 2011 tausende Demonstrant*innen wie in anderen arabischen Ländern friedlich Reformen forderten, schlug das Regime den Protest mithilfe von Truppen aus benachbarten Ländern brutal nieder. Bis heute werden Demonstrant*innen, Menschenrechtsaktivist*innen, Studierende, Journalist*innen und Oppositionelle systematisch überwacht, verfolgt, inhaftiert, misshandelt und teilweise auch gefoltert.

Der König von Bahrain hat eine Untersuchungskommission (Bahrain Independent Commission of Inquiry, BICI) eingesetzt, die die gewalttätigen Ausschreitungen gegen Demonstrant*innen im Frühjahr 2011 untersuchen sollte. Diese Kommission legte Ende 2011 einen ausführlichen Bericht über systematische willkürliche Haft, Folter und Verfolgung sowie über die dafür verantwortlichen Regierungsstellen vor. Allerdings war die Kommission nicht befugt, in einzelnen Fällen strafrechtlich zu ermitteln, sondern durfte lediglich Empfehlungen aussprechen. Die nationale Sonderermittlungseinheit, die auf Empfehlung der Untersuchungskommission eingerichtet wurde, hat bisher nur in einigen wenigen Fällen gegen niedrigrangige Beamt*innen ermittelt.

Dem ECCHR liegen begründete Verdachtsmomente und Zeug*innenaussagen vor, dass auch ranghohe Beamt*innen und Mitglieder der Königsfamilie Folter gebilligt haben beziehungsweise daran beteiligt waren. Untersucht wurden diese Foltervorwürfe bisher nicht – weder in Bahrain noch im Ausland.

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